C A R M I N A   B U R A N A

 ( ‚RAD DES LEBENS’ ) 158 x 285 x 20 cm       ‚Textilkunst’, Heft 1/1981    Nijmegen 1981

 

Das Jahr 1978/79, das ich in der heimatlichen Hügellandschaft des Wienerwaldes verbrachte, bei meiner Rückkehr nach Holland (wo wir 30 Jahre lebten) umgesetzt in das ‚Rad des Lebens - carmina burana’, für das ich im Oktober 1981 eine Bronzemedaille in der Textile Triennial of Fiber Artists and Designers in Lódź (Polen) erhielt. Dieses Textilrelief  ist 285 x 160 cm groß und in zwei Teilen gewebt, dazwischen ist 20 cm ‚Luft’.

 

Das ‚Rad des Lebens’ kann gesehen werden als Prinzip für das Leben des Einzelnen, oder – breiter, allgemeiner – für das der Menschheit. Ich möchte es dem Betrachter überlassen, ob er sich persönlich angesprochen fühlt oder ob er das Stück allgemein sieht.

 

Der Bruch in der Mitte symbolisiert die Kluft im Leben, vor der jeder Mensch zu einem gegebenen Zeitpunkt steht: es gilt, dieses Nichts - Nichtweiterwissen, Nichtweiterkönnen (- wollen), diesen Abgrund - zu überwinden, den Sprung zu wagen und die großen Lebenslinien weiterzuziehen (WEITER zu ziehen). Die Möglichkeiten sind vorhanden, der Kreis kann noch breiter und weiter werden. Die Nabe, um die sich das Rad dreht, ist ebenfalls dargestellt in Symbolen des Korns und der Fruchtbarkeit, sie verdichtet sich bei genauerem Hinsehen durch Farbnuancen in einem angedeuteten Übergang von Grün nach Rot (Reifungsprozess).

 

Breiter gesehen stellt das Stück ein Land, die Weltkugel dar, wobei dann die Nabe z.B. ein Pol sein kann. Wo stehen wir? Wahrscheinlich haben die polnischen Künstler im Oktober 1981 mein Stück so verstanden. Mit Staunen wurde mir in diesem damals so spannungsgeladenen Land bewusst, dass meine Arbeit angesichts der politischen Situation eine dramatische Aktualität (*) erhalten hatte.

 

Bei der allgemeinen Interpretation kann der Riss, die Leere, auch Tod bedeuten und im Weitergang den Neubeginn durch folgende Generationen.

 

‚Carmina burana’ war für mich die große Melodie dieser Arbeit. Dieses faszinierende Chorwerk von Carl Orff für Soli, Chor, Orchester und Schlagzeug beinhaltet das Grundmotiv des sich unablässig fortdrehenden Lebensrades mit einer durch die Pauken wuchtig skandierten, schwerfälligen Drehbewegung: ein an-die-Grenze-Rühren, fast-Auseinanderfallen und ein mit mächtiger Kraft durchgezogenes Weiterdrehen. LEBEN und Neuwerden von Leben in der Natur.

 

Etwas unruhig wegen der damals sehr kritischen, politischen Lage war ich zur Eröffnung der Triennale am 19. Oktober 1981 nach Lódź gefahren. Noch waren die Menschen voll Zuversicht, es herrschte eine Atmosphäre des hoffnungslos-hoffnungsvollen Abwartens. 

(*) Das ist jetzt Jahre her. Meine neue Website erstelle ich nun im Jahr 2016. Viel, sehr viel hat sich verändert.  

'Carmina burana' ist längst verkauft und hängt in einer Kirche.